Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion (v.l.n.r.): Friedel Weyrauch, Gersom Axt, Axel Schmidt, Moderatorin Britta Wiegand, Susanne Strombach und Judith Haußner-Eisele
16. November 2018

Schweres Thema, volles Haus – Besucherandrang des DRK-Filmabends zum Thema »Depression« übertrifft alle Erwartungen

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion (v.l.n.r.): Friedel Weyrauch, Gersom Axt, Axel Schmidt, Moderatorin Britta Wiegand, Susanne Strombach und Judith Haußner-Eisele
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion (v.l.n.r.): Friedel Weyrauch, Gersom Axt, Axel Schmidt, Moderatorin Britta Wiegand, Susanne Strombach und Judith Haußner-Eisele

»Schnell, holt noch mehr Stühle her!« Bereits eine Viertelstunde vor Filmbeginn war klar abzusehen, dass die vorgesehene Bestuhlung in der Rodensteinhalle Fränkisch-Crumbach am Mittwochabend, dem 14.11.2018, für den großen Andrang an Besuchern nicht ausreicht. Glücklicherweise erwiesen sich die ehrenamtlichen Helfer des ortsansässigen Seniorenbeirats als eingespieltes Team: Schnell waren weitere Stuhlreihen angebaut, sodass alle 142 Gäste pünktlich zum Veranstaltungsbeginn auf ihrem Platz saßen.

Moderatorin Britta Wiegand – den Radiohörern im Publikum u. a. bekannt durch ihre Sendung »Britta am Vormittag« in hr4 – eröffnete den Abend, gefolgt von Grußworten des DRK-Kreisvorsitzenden Georg Kaciala und des Vorsitzenden des Seniorenbeirats Fränkisch-Crumbach Edmund Bachmann. Auch Susanne Strombach, Koordinatorin »Patienten und Selbsthilfe« der AOK Hessen kam vor dem Film zu Wort: »Es ist uns wichtig, über das Thema Depression aufzuklären und Hilfsangebote aufzuzeigen.« Dank der Förderung der AOK Hessen war es möglich, den Besuchern die Veranstaltung bei freiem Eintritt zu ermöglichen.

Schlüsselmomente persönlicher Krankheitsgeschichten

Im anschließend gezeigten Dokumentarfilm »Die Mitte der Nacht ist der Anfang vom Tag« begleiten die Filmemacher Michaela Kirst und Axel Schmidt auf authentische und nachfühlbare Art und Weise Menschen mit Depression über den Zeitraum von ca. einem Jahr. Der Fokus liegt auf Schlüsselmomenten der persönlichen Krankheitsgeschichte (z. B. Umzug in ein neues Haus, Schulabschluss und Berufsfindung) und der persönlichen Auseinandersetzung mit der Erkrankung. Der Film bietet einen emotionalen Zugang zur Erkrankung und zeigt Möglichkeiten individueller Bewältigung.

Der anwesende Filmemacher Axel Schmidt hob im anschließenden Publikumsgespräch nochmals hervor, dass der Film ganz bewusst auf Kommentare und Erklärungen verzichte. So erlebten die Zuschauer die Sicht der an Depression erkrankten Patienten direkt mit. Noch vor Beginn der Dreharbeiten war klar, es solle kein Film werden, der das Ziel verfolge, die Ursachen von Depressionen zu begründen. Im Gegenteil: Das behutsame Begleiten der im Film gezeigten Menschen zeige auf, wie individuell eine Depression sein kann – und somit auch der Umgang mit ihr.

Zu wenig Therapieangebote im Odenwald

Diesen Ansatz griff auch Gersom Axt, Oberarzt im Zentrum für Seelische Gesundheit am Gesundheitszentrum Odenwaldkreis, auf und hob hervor, wie sich eine echte Depression vom »mal schlecht drauf sein« unterscheidet: »Wenn Sie mal eins, zwei Tage schlecht schlafen, ins Grübeln kommen und sich lustlos und antriebslos fühlen, ist das noch lange kein Grund zur Sorge.« Sollte dieser Zustand allerdings länger als zwei Wochen anhalten, sollte man den Besuch beim Hausarzt nicht länger aufschieben. Gerade weil ab dann noch einige Zeit vergehe, bis eine Behandlung ansetzen kann. »Leider können wir bei uns nicht allen Leuten, die therapeutische Hilfe benötigen, umgehend einen Behandlungsplatz anbieten«, spricht Axt ein großes Problem an, von dem vor allem ländliche Bereiche betroffen sind. In Städten sind schlichtweg mehr Therapeuten angesiedelt, somit sei dort auch schneller mit einem Platz zu rechnen im Gegensatz zu dem weitläufigen Bereich Odenwald.

Susanne Strombach griff diese Problematik auf, die Lage sei den Verantwortlichen durchaus bewusst. So wurde kürzlich festgelegt, dass im Akutfall ein Erstgespräch mit einem Therapeuten zeitnah stattfinden müsse. Die Kassenärztliche Vereinigung unterstütze bei der Therapeutenvermittlung. Dennoch seien viele Menschen anschließend in einer Warteschleife. Um dem Leidensdruck der Betroffenen in dieser Zeit dennoch etwas entgegenzusetzen, wies Strombach auf Projekte zur Therapievorbereitung hin: Menschen, die sich gerade in einer Therapie befinden oder diese bereits abgeschlossen haben, tauschen sich aus mit Menschen, die noch auf einen Platz warten. Wichtig sei für akut Betroffene vor allem Verständnis. Hier bieten sich nach wie vor Selbsthilfegruppen als niedrigschwelliges Angebot an.

Selbsthilfegruppen als erste Anlaufstelle

Judith Haußner-Eisele von der Selbsthilfegruppe des DRK-Kreisverbands Odenwaldkreis e. V. bekräftigt, dass es vor allem der Besuch der Selbsthilfegruppe sei, der ihr im Umgang mit ihrer Erkrankung gut tut: »Die Selbsthilfegruppe gibt mir enormen Halt – und vor allem auch das Verständnis und die Unterstützung meiner Familie.« Auch sind im Selbsthilfezentrum Kontaktgespräche möglich, um den ersten Schritt in die Selbsthilfegruppe etwas zu erleichtern und sich vorab zu informieren.

Bundessprecherin der DRK-Selbsthilfegruppen und Leiterin des DRK-Selbsthilfezentrums, Friedel Weyrauch, ermutigt die Menschen im Publikum, Selbsthilfegruppen aufzusuchen. »Wir haben inzwischen zahlreiche Angebote – nicht allein für Menschen, die unter Angst und Depressionen leiden. Auch der Umgang mit Trauer lässt sich besser ertragen, wenn man auf offene Ohren und Herzen stößt, ohne sich immer erklären zu müssen.« Neben Selbsthilfegruppen speziell für junge Menschen, Angehörigengruppen oder Gruppen mit Suchtproblematik hebt Weyrauch das Angebot »Treffpunkt Auszeit« im DRK-Sebsthilfezentrum hervor. Hier können Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihren Problemen zusammenkommen und gemeinsam das tun, was einem gut tut: zum Beispiel Backen, Dartspielen, Malen oder Mensch-ärger-dich-nicht-Spielen – einfach eigene Ideen verwirklichen.

Ein gelungener Abend – trotz ernstem Anlass

Die Veranstalter zeigten sich erstaunt darüber, dass der Abend auf noch größere Resonanz gestoßen ist als der im Juni dieses Jahres ebenfalls gut besuchte Kinoabend zum gleichen Thema in den Erbacher Lichtspielen. Das zeigt die Notwendigkeit, solche Veranstaltungen durchzuführen. So wird mehr Verständnis für die Krankheit Depression entwickelt, auf bestehende Hilfeangebote wie das Zentrum für Seelische Gesundheit am Gesundheitszentrum Odenwald oder die DRK-Selbsthilfegruppen hingewiesen und darüber hinaus für weiterere Unterstützung sensibilisiert.

Friedel Weyrauch, die in allen Selbsthilfegruppen des DRK Odenwaldkreis »zuhause« ist, freute sich über die vielen ehemaligen Gruppenteilnehmerinnen und -teilnehmer, die an dem Abend zu Gast im Publikum waren. »Klar, man verliert sich aus den Augen. Aber wenn man sich nach vielen Jahren dann doch mal wieder zu so einem Anlass trifft, sind da ganz klar Emotionen im Spiel. Schließlich hat man sich in ganz elementaren und prägenden Zeiten gemeinsam begleitet und gegenseitig unterstützt.«

Besonderer Dank geht an alle Helferinnen und Helfer, die mit der reibungslosen Veranstaltungsdurchführung betraut waren und ohne deren Unterstützung der Abend so nicht möglich gewesen wäre: der Seniorenbeirat Fränkisch-Crumbach, der DRK-Ortsverband Fränkisch-Crumbach sowie die Mitarbeiter von Freiwilliger Feuerwehr und dem Bauhof der Gemeinde.

Darüberhinaus geht Dank an die AOK Hessen, die durch ihre finanzielle Unterstützung die Durchführung dieses Abends bei freiem Eintritt ermöglichte.
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