24. März 2017

Im Kontakt mit dem Motiv

»Strohhütte« von Stefan F.
»Strohhütte« von Stefan F.

Kunstaustellung in der »Linde« in Fränkisch-Crumbach

Die Kraft der Kunst wirkt auch im therapeutischen Bereich. Oft drücken Teilnehmerinnen und Teilnehmer der DRK-Selbsthilfegruppen ihre Gefühle durch Malerei, Fotografie oder Musik aus – hilfreich gerade dann, wenn Ihnen die Worte fehlen, um Erfahrenes angemessen beschreiben zu können. Spannend wird es, wenn diese Kunstwerke der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, wie dies nun mit den Gemälden von Stefan F. geschieht, die  in der Gaststätte »Zur Linde« in Fränkisch-Crumbach ausgestellt werden.

DRK: Stefan, lass uns im ersten Teil über dich sprechen und dann über deine Malerei. Das ist hier deine erste Ausstellung?

Stefan F.: Ja, endlich ist es soweit. Ich kann im Erbacher Krankenhaus meine Gemälde ausstellen. Ich musste zwei Jahre auf den Termin warten. Andererseits dauerte es mehrere Jahre, bis ich dazu bereit war. Es brauchte viel Überzeugungsarbeit, denn ich war nicht sicher, ob das, was ich da mache, überhaupt zu einer Ausstellung taugt.

Was verbindet dich mit dem Deutschen Roten Kreuz?

Beim DRK habe ich tolle Menschen kennengelernt, die mich seit vielen Jahren begleiten und unterstützen. Ich kam 2001 wegen Suchtproblemen zum DRK, hatte eine Drogenlaufbahn am Frankfurter Hauptbahnhof hinter mir, so ziemlich alles ausprobiert und wollte endlich wieder eine Perspektive für mein Leben, eine Zukunft haben.

Wie sah denn diese Unterstützung durch das DRK aus?

Seit 9 Jahren bin ich in einer Selbsthilfegruppe des DRK Odenwald, wo ich mich in einer für mich neuen Art und Weise eingeladen gefühlt habe, ganz offen und unverstellt über mich zu sprechen.

Außerdem habe ich im Alltag konstruktive Unterstützung durch das „Betreute Wohnen“ des DRK erfahren, wo es viel um Alltagsstrukturen und Formalitäten geht, aber auch um das Entwickeln von Perspektiven und Erreichen von Zielen.

Zum Beispiel waren es die Leute vom DRK, die mich jahrelang immer wieder ermutigt haben, meine Bilder öffentlich zu zeigen und die mir auch ganz konkret bei den Vorbereitungen für die Ausstellung sehr viel geholfen haben. Ich glaube, ohne sie hätte es gar keine Ausstellung gegeben.

Du wohnst in Fränkisch-Crumbach, bist du auch dort aufgewachsen?

Nein, meine Mutter ist gebürtige Frankfurterin, mein Vater kam aus Ungarn und ich bin 1960 in Offenbach geboren. Aufgewachsen bin ich im Norden Frankfurts und später erst, im Alter von 38 Jahren, in den Odenwald umgesiedelt.

Dann hat dein schulischer und beruflicher Werdegang in Frankfurt stattgefunden?

Ja, in Frankfurt und Bad Homburg. Dort habe ich die Mittlere Reife erlangt. Später, mit 33, habe ich im zweiten Bildungsweg das Fachabitur absolviert und zwei Semester Informatik studiert. Im Anschluss daran machte ich verschiedene Weiterbildungen im IT-Bereich. Gelernt habe ich jedoch Elektromechaniker. Ich habe in den verschiedensten mechanischen und technischen Berufen gearbeitet und bin seit zwei Jahren Frührentner.

Dann hast du ja jetzt genug Zeit zum Malen.

Schon, aber neben dem Malen beschäftige ich mich auch gern mit Sport, Fotografieren, Philosophie, Astrophysik und Atomphysik. Auch Politik, Geschichte und Kunstgeschichte hat mich schon seit der Jugend fasziniert.

Wie hat denn das mit dem Malen angefangen?

Ich habe als dreijähriger mit Zeichnen und Malen angefangen. Aus heutiger Sicht würde ich es so erklären: Es war meine Art, Gesehenes und Geschehenes zu verarbeiten, die Eindrücke der Dinge aus meiner Sicht meinem Umfeld mitzuteilen, denn ich war ein sehr wortkarges Kind.

Warum hast du nicht den künstlerischen Weg eingeschlagen?

Talent und Fähigkeiten sind in der Schule ab und zu mal aufgefallen. Da ich mich jedoch nicht gut verkaufen konnte und mich nicht getraute, zu meinen Interessen zu stehen, bin ich nie gefördert worden. Andererseits glaubte ich lange Jahre, fast jeder könnte Malen und es bedarf nur des Willens, des Fleißes und der Beharrlichkeit, damit ein Bild entstehen kann. Solchen Irrtümern aufgesessen, blieb das Malen lange nur ein Hobby.

Wie hat sich denn die Drogensucht auf dich und deine Malerei ausgewirkt?

Durch die Drogenzeit habe in so viele Abgründe geschaut und solche Ausweglosigkeit erlebt, dass ich um die düstere, finstere Seite des Lebens weiß und diese sicherlich auch in meinen Bildern mitschwingt, ihnen vielleicht mehr Tiefe verleiht.

Welche Ausrüstung benötigst du zum Malen?

Ich malte mit Wasserfarbe und Aquarellfarbe, dann mit „Plaka“-Farbe und schließlich mit Acryl. Ich malte zunächst auf Papier und auf Pappe. Dann entdeckte ich, dass sich Schrankrückwände auch Bestens zum Bemalen eignen. Seit es für mich konkret wurde auszustellen, nehme ich Leinwände.

Wie suchst du deine Motive aus?

Ein Teil meiner Bilder ist als Geschenk oder Auftrag entstanden, dort habe ich mich in Motiv und Stil oft den Wünschen der Empfänger untergeordnet. Bei den übrigen Bildern sind meine Motive oft Industriekomplexe, Hochhauslandschaften oder Situationen des Alltags in besonderem Licht oder Zustand. Da kann ich eine besondere Ästhetik und Schönheit wahrnehmen, die ich in meinen Bildern zum Ausdruck bringen möchte.

Anders gesagt, es geht mir auch darum, flüchtige Situationen und Momente, die mich in besonderer und manchmal nicht erklärbarer Weise berühren, in Bildern festzuhalten. Auf diese Weise sind es oft ganz unterschiedliche Themen und Lebensbereiche, aus denen heraus Motive für meine Bilder entstehen können.

Das erklärt auch, dass ich mich keiner Stilrichtung zuordnen kann und auch nicht will. Ich bleibe lieber frei, das aufzugreifen, was für mich Bedeutung hat und dem dann eine Form zu geben, die für mich stimmt – im Kontakt mit dem Motiv.

Danke für die Einblicke.

Ich bedanke mich auch.

Bildmotive (Auswahl)

Zum Thema

Die Schülerzeitung SEGS der Ernst-Göbel-Schule in Höchst (Odw.) hat mit Stefan F. ein Interview geführt, in dem er über sich und seine Drogensucht spricht: »Das Dope will einen immer ganz besitzen!«