27. Dezember 2022

„Ich möchte helfen und bin glücklich, wenn ich es kann“

Über 20 Jahre betreut Friedel Weyrauch mit einer Kollegin aus Mecklenburg-Vorpommern das von ihr etablierte bundesweite DRK-Sorgentelefon. Foto: Holger Wießmann / DRK Odenwaldkreis

Die DRK-Selbsthilfe im Odenwaldkreis ist untrennbar mit dem Namen Friedel Weyrauch verbunden. Im Darmstädter Echo vom 27.12.2022 erschien unter dem Titel „Die ‚gute Seele’ im Odenwald“ ein Portrait von Michael Lang über die Projektleiterin des DRK-Selbsthilfezentrums in Erbach.

Dem zierlichen Mädchen macht es nichts aus, Bettpfannen zu leeren und einfache pflegerische Handgriffe zu verrichten. Die frische Hilfskraft wohnt in Michelstadt, unweit vom damaligen Krankenhaus, und Personal wird dringend benötigt. Warum sie das tut, hinterfragt sie nicht. Denn die junge Frieda Porzel will nur eines: helfen. Sie kümmert sich ebenso um verwahrloste Gräber, hütet Kinder und bringt ihre Motivation in vielen sozialen Bereichen ein. In der Nacht vom 11. auf den 12. Dezember 1944 wurde sie mit ihrer Familie ausgebombt, als die Royal Navy Darmstadt in Schutt und Asche gelegt hat. „Ich war noch ganz klein, aber die schrecklichen Eindrücke haben sich in mein Gedächtnis gegraben. Das wird man nicht los“, erzählt Friedel Weyrauch heute.

Vielleicht wurde da der Grundstein für ihren Weg ins Abenteuer Menschlichkeit gelegt? Nach der Schule macht die Frau eine Ausbildung zur Anwalts –und Notariatsfachgehilfin und arbeitet bei einem Juristen in ihrem Wohnort. Der weitere berufliche Weg führt sie dann ins Betriebsamt der Bundesbahn nach Darmstadt und später zur deren Direktion ins Rechtbüro nach Frankfurt. Dort macht sie Bekanntschaft mit „König Alkohol“, wie Jack London so treffend formulierte. Später bewirbt sie sich beim Südwestrundfunk (SWR) in Stuttgart, wird genommen und koordiniert unter anderem die Einsätze der Sportjournalisten. Dann wechselt sie ins redaktionelle Ressort von „Jugend forscht“. Doch Unstimmigkeiten rufen nach Veränderung. Der Weg führt zum Hessischen Rundfunk, wo sie verschiedenen Redaktionen im Tagesgeschäft assistiert.

„Arbeit gab mir schon immer ein Selbstwertgefühl. Auch in schlechten Zeiten.“ Jetzt packt sie ihre Probleme an und geht zu den Anonymen Alkoholikern. Dort wird sie trocken, nach einigen Jahren der Abstinenz gründet sie eine dementsprechende Gruppe in Reichelsheim. Hilfe zur Selbsthilfe wird ihr zur Devise und zum Leitbild für ihr weiteres Leben. Ob sie sich damit auch selbst auffängt? „Klar, keine Frage. Das ist so. Es gibt mir viel und ich bekomme viel zurück. Eine Freude ist es, wenn man sieht, wie sich mancher vom hoffnungslosen Fall zur gesunden und eigenständigen Person entwickelt hat“, sagt die Frau, die für ihre ehrenamtliche Arbeit das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten hat. „Das ruht aber sanft in seiner Schatulle“, schmunzelt Weyrauch, denn groß auftragen ist nicht so ihr Ding.

Im Jahr 1985 beginnt sie dann als Verwaltungsangestellte beim Roten Kreuz in Erbach. Eine gute Adresse, denn es passt genau: In der Hilfsorganisation etabliert Friedel Weyrauch ab 1990 nach und nach mehrere Selbsthilfegruppen zu verschiedenen Themen. Vorher gab es dies dort nicht. Kein anderer DRK-Kreisverband ist vergleichbar aktiv auf diesem Sektor. Und in vielen Gruppen ist die Initiatorin auch interessierte Teilnehmerin.

Wie geht sie selbst mit den Problemen der Menschen um? Kann sie diese einfach wegstecken? „Natürlich nicht. Vieles nehme ich mit heim. Dort beschäftigt es mich weiter. Aber das ist mein Leben. Ich möchte helfen und bin glücklich, wenn ich es kann“, erklärt Weyrauch und berichtet: „Einmal bat mich eine Frau, sie bei der Identifizierung ihres Mannes zu begleiten. Er hatte sich als Drogenkonsument das Leben genommen. Das bleibt nicht in den Kleidern hängen.“ Um welche Süchte es sich handelt, ist Friedel Weyrauch egal. Zuerst kommt der Mensch. Vorurteile und Schuldzuweisungen sind der ehrenamtlichen Helferin Fremdwörter. Genauso wie Neid und Missgunst.

Wirkt der Begriff auch etwas abgegriffen, Friedel Weyrauch ist authentisch. So hat sie schon im Gespräch mit der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel oder dem bekannten Benediktinerpater Anselm Grün ihren Odenwälder Zungenschlag nicht verleugnet. Letzteren hat sie im persönlichen Dialog zu Vorträgen eingeladen. Da kennt sie nichts. Wenn es um die gute Sache geht, geht sie nicht zu Hänschen, sondern gleich zu Hans.

Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit sind ihre Prinzipien. Will sie jemand an der Nase herumführen, kann die Gute auch mal deutlich werden: „Ich bin offen und erwarte Offenheit“, beschreibt sie ihr Credo des Umgangs miteinander.

Über 20 Jahre betreut Friedel Weyrauch mit einer Kollegin aus Mecklenburg-Vorpommern das von ihr etablierte bundesweite DRK-Sorgentelefon, das gerade in der Weihnachtszeit häufig läutet. Wohnt der Anrufer in der Nähe, sind persönliche Treffen möglich. „Ansonsten kenne ich mich ja oftmals mit den spezifischen Gegebenheiten aus und verweise an passende Beratungsstellen der Diakonie, der Caritas oder des Roten Kreuzes in Wohnortnähe. Manchmal hilft auch der Hinweis, sich Freunden zu öffnen. Eine allgemeine Regel gibt es nicht.“

Und da ihr die ehrenamtliche Arbeit im Zeichen der Menschlichkeit so wichtig ist, hat sie sich vor einiger Zeit zur Bundessprecherin der DRK-Selbsthilfegruppen wählen lassen. So schenkt Friedel Weyrauch vielen Menschen ihren Fachverstand und ein warmes Herz in einer emotional oftmals so bitterkalten Zeit.

Und wo bleibt der Ausgleich? „Ich unternehme häufig lange Spaziergänge und gehe im Sommer gerne schwimmen.“ Wann hört sie auf und legt die Füße hoch? Friedel Weyrauch blickt irritiert und antwortet: „Wie bitte? Ich werde doch noch gebraucht!“


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