Sorgentelefon des Roten Kreuzes verzeichnet erhöhte Frequenz an Anrufen
Das breit gefächerte Angebot an Selbsthilfegruppen ist bundesweit ein Alleinstellungsmerkmal des Deutschen Roten Kreuzes im Odenwaldkreis. Doch auch wer zwischen Hamburg und München oder zwischen Görlitz und Saarbrücken die Nummer des DRK-Sorgentelefons wählt, ist beim hiesigen Kreisverband mit den dort tätigen Ansprechpartnerinnen verbunden.
Das Hilfetelefon betreuen im Ehrenamt Karin Pohl und Friedel Weyrauch, die diese Idee 1998 aus der Taufe gehoben hat. Zu tun haben die beiden reichlich, denn gerade während der Pandemie, wo Vereinzelung und auch Einsamkeit ein permanentes Thema sind, wird der Rat der beiden erfahrenen Frauen häufig nachgefragt.
„Zwei Jahre und etwas mehr in der Pandemie hinterlassen Spuren in den Familien.“
Friedel Weyrauch
Schon 2020 war die Frequenz der nach Rat suchenden Anrufer mit rund 760 Gesprächen bemerkenswert, 2021 verzeichnete Weyrauch nahezu 1.760 Kontakte. An was liegt dies? „Da kommt die Änderung zum Tragen, dass wir unter der Telefonnummer 06062 / 607-670 nun täglich zwischen 8 und 22 Uhr zu erreichen sind und nicht nur wie zuvor an den Wochenenden. Doch dieser Anstieg um mehr als das Doppelte ist nicht nur mit den erweiterten Zeiten zu begründen. Das wäre zu kurz gegriffen. Zwei Jahre und etwas mehr in der Pandemie hinterlassen Spuren in den Familien“, erklärt Friedel Weyrauch.
Alkohol, illegale Drogen, Medienkonsum
Häufig riefen erwachsene Kinder an, die nicht mehr weiterwissen, weil ein Elternteil mit dem Trinken begonnen hat, erzählt Weyrauch, die selbst auf eine Alkoholgeschichte zurückblicken kann. „Wir empfehlen dann häufig den Hausarzt als Anlaufpunkt, eine Beratungsstelle oder, je nach unserer Einschätzung, auch eine Selbsthilfegruppe vor Ort.“
Auch rückten illegale Drogen mehr in den Vordergrund der Gespräche. Ebenso müssen sich die Beraterinnen mit Medikamenten- oder Spielsucht beschäftigen, die Kaufsucht und überbordender Medienkonsum seien ebenso häufige Themen der Gespräche. Diese können zwischen 30 und 45 Minuten beanspruchen und erfordern sowohl sachliches Wissen als auch Erfahrung.
Kein Therapie-Telefon
„Wichtig ist, dass man weiß, welche Beratungsstelle für das jeweilige Problem zur Verfügung steht. Das ist im Odenwald weniger ein Problem, doch oft müssen wir recherchieren, auch Google leistet hierbei gute Dienste“, weiß Friedel Weyrauch. Denn Beratungen oder gar therapeutische Empfehlungen geben die Damen nicht. „Wir sind ja keine Psychologinnen, sondern schenken den Anrufern ganz offen unser Gehör und geben ihnen Adressen an die Hand, die fachkompetent helfen können.“
Dieses Zuhören, ohne zu unterbrechen, sei eine Kernkompetenz. Auch müsse man die verschiedenen Schicksale ertragen können, beschreibt die Fachfrau ihre Tätigkeit und sagt, dass eine Kollegin dies probiert, aber aufgrund der Belastung aufgegeben habe. Schließlich seien Tränen keine Seltenheit. „Manches nimmt man natürlich mit nach Hause und legt es nicht mit den Kleidern ab.“
Zumal ja auch wiederholte Anrufe der Hilfe suchenden Menschen zu ihrem Problem vorkämen. „Da steigt man automatisch mental in die Sache mit ein und muss gleichzeitig versuchen, die Dinge nicht zu nah an sich heranzulassen!“
Nicht alleine die Sucht ist Thema der Gespräche. Vermehrt riefen aktuell auch Eltern oder Großeltern an, die Rat suchen, weil der Enkel seinen Job im Zuge der Pandemie verloren habe und von Arbeitslosigkeit oder im Extremfall von Obdachlosigkeit bedroht sei.
Da das Angebot der offenen Ohren und einfühlsamen Herzen sich in den fast 25 Jahren herumgesprochen habe, meldeten sich immer häufiger auch direkt Betroffene.
Was ist der Lohn für diese ehrenamtliche Tätigkeit? Friedel Weyrauch schmunzelt: „Das ist in erster Linie die unglaubliche Dankbarkeit der Anrufer, die praktische Ratschläge erhalten und empathische Zuhörerinnen finden. Selbstverständlich stehen wir unter Schweigepflicht und beantworten auch anonyme Anrufe. Schließlich ist nach den Grundsätzen des Roten Kreuzes das Helfen unser Gebot. Und der Bedarf danach ist gerade jetzt gegeben. Die Zahlen belegen dies.“