11. Mai 2020

Mit Cannabis im Clinch

Suchtprävention des Roten Kreuzes macht Schule

Bevor sie ihre Reisen in die Schulen des Odenwaldkreises antreten, packen Jürgen Brilmayer (links) und Horst Weigel die Koffer mit den methodischen Möglichkeiten. Foto: DRK Odenwaldkreis

Wenn der Sozialarbeiter Horst Weigel (58) mit seinem Projekt die Schulen des Odenwaldkreises besucht, lebt er aus dem Koffer. Und dies nun schon fünf Jahre lang. Mit den Inhalten seines Reisegepäcks überrascht der Angestellte des Suchthilfezentrums beim Roten Kreuz in Erbach Schülerinnen und Schüler von den achten Klassen aufwärts.

Mit an Bord ist der selbständige Berater und Coach Jürgen Brilmayer, der lange für das Rote Kreuz tätig gewesen ist. Gemeinsam haben sie ein Cannabis-Projekt konzipiert, das von den Schulen zunehmend nachgefragt wird. Die beiden Suchtexperten erregen mit ihren Methoden Aufmerksamkeit und rütteln in diesen speziellen Stunden die Teilnehmenden wach. Ohne den Zeigefinger zu heben, warnen sie vor der zu harmlos eingeschätzten Droge Cannabis.

„Es gibt so gut wie keinen Schüler, dem nicht in kürzester Zeit einfällt, wo er sich Haschisch oder Marihuana besorgen könnte“, weiß Weigel und unterstreicht: „Damit behaupte ich aber keinesfalls, dass jeder schon Erfahrung mit Cannabis gesammelt hat.“ Was macht diesen Stoff so begehrenswert? „Haschisch ist günstig und verspricht einen harmlosen Rausch. Zudem geht die Mär, dass Kiffen keine Gefahren birgt. Schon gar nicht die einer Abhängigkeit. Schließlich kennt auch manch Elternteil den kleinen Kick. Doch die Mischungen haben sich im Laufe der Zeit geändert. Heute weiß meistens keiner, was und wieviel er da genau konsumiert.“ Brilmayer bestätigt dies durch seine Erfahrungen aus der Suchtberatung.

Die Projekttage sind Lehrveranstaltungen im besten Sinne. Weigel und Brilmayer referieren nicht, sie binden die Jugendlichen aktiv ein und schaffen eine Atmosphäre der Erfahrungen. Diese wirkt nachhaltiger als ein Vortrag. Kommen die Inhalte der Koffer zum Einsatz, kann die Arbeit mit ihnen eine erhöhte Risikoeinschätzung bewirken. Schließlich haben Null-Toleranz-Konzepte nicht zum gewünschten Erfolg geführt. „Risiken einzugehen, bedeutet eben auch, seine Grenzen auszuloten“, weiß Weigel.

Dabei spricht der Parcours, den es zu durchlaufen gilt, alle Sinne an. Abwechslung ist angesagt. Bei der Risiko-Fall-Übung fallen die Teilnehmenden in die Hände von ausgesuchten Vertrauenspersonen. „Eine nachhaltig wertvolle Erfahrung in sicherem Rahmen, um die eigene Risikobereitschaft einzuschätzen“, sagt Brilmayer, der diese Übung konzipiert hat. Wie ist es mit der Kraft zum Nein sagen bestellt? Dazu betont Weigel die zuvor erarbeiteten Talente und Fähigkeiten der Teilnehmenden. „Dies schafft Selbstvertrauen.“ Der Weckruf des Widerstehens klopft an die Türe der reflektierenden Schülerinnen und Schüler. Weigel baut eine Brücke zwischen erwünschter Vernunft und den Zentren, die im Gehirn die Gefühle steuern. Weg vom Weg der plakativen Warnungen, hin zu transparenter Toleranz, die Erfolge möglich macht.

„Uns geht es nicht um messbare Ziele und wir werten nicht in Zahlen. Unsere Suchtprävention will für die Gefahren von Drogen sensibilisieren, die Widerstandskraft stärken und zu stichhaltigen Argumenten gegen den riskanten Konsum verhelfen.“

Und der Koffer? Ihm entstammen die Stifte, mit denen die Silhouetten der Schüler mit dem Eintragen ihrer Stärken auf große Papierbögen gemalt werden. Er beinhaltet das Fotomaterial auf dem die Teilnehmenden offen ihre ganz persönliche Haltung zu Cannabis mimisch und gestisch ausdrücken. Aus ihm stammen die Hilfsmittel zum so genannten Eckenspiel, während dem sich die Schülerinnen und Schüler gegen Ende des Projektes gegenseitig mit ihren Erfahrungen und ihrem Wissen versorgen. Ein Koffer der Hoffnung? „Uns geht es nicht um messbare Ziele und wir werten nicht in Zahlen. Unsere Suchtprävention will für die Gefahren von Drogen sensibilisieren, die Widerstandskraft stärken und zu stichhaltigen Argumenten gegen den riskanten Konsum verhelfen. Eine Drogenverhinderungsbehörde sind wir nicht. Die würde auch auf ganzer Länge scheitern. Ein im Selbstbewusstsein gestärkter Mensch kann eigenmächtig entscheiden, wie er sich verhält. Dafür setzen wir uns ein, dies ist unsere Aufgabe“, resümieren die beiden Sozialarbeiter und packen die Koffer. Allerdings nur im sprichwörtlichen Sinne. Denn sie werden immer wieder an die Schulen des Odenwaldkreises kommen. Gerne und mit Leidenschaft. Und stets zum Wohl der Schülerinnen und Schüler.


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